Nach nunmehr einem Jahr „voll elektrischem“ Fahren mit unserem Kia Soul (wegen des roten Daches „Rotkäppchen“ genannt…) gab es im September 2020 eine neue Erfahrung: Erstmalig sind wir mit einem elektrischen Fahrzeug in den Alpen unterwegs gewesen und haben dabei auch unter anderem den St.-Gotthard-Pass überquert.
Ein wenig gespannt waren wir schon auf die uns in der Schweiz erwartende Ladeinfrastruktur und das Fahren mit dem Kia auf Serpentinen und Passstraßen.
Das Erlebte ist positiv und schnell erzählt:
Die Ladeinfrastruktur betreffend ist Deutschland offensichtlich ein Entwicklungsland: Im Gegensatz zu Deutschland bedarf es keiner „besonderen Ladeplanung“, um von A zum – länger entfernten – B zu kommen; die Schweiz, namentlich die Autobahnen, sind sehr gut mit leistungsstarken Schnellladesäulen, überwiegend von Ionity ausgestattet.
Auf fast alle Ladestationen, auch jenseits von Autobahnen wird durch Hinweisschilder aufmerksam gemacht, anstelle einer einzelnen einsamen Ladestation, in Deutschland nicht selten dann auch besetzt, findet man an den Autobahnen meistens 4, manchmal auch 6 und mehr Schnelllader, vor. Die Entfernung zwischen den Schellladestationen ist so gering, dass sich Sorgen bezüglich der Erreichbarkeit der nächsten Ladestation schlicht erübrigen.
Die Freischaltung des Ladevorganges in der Schweiz ist fast durchgängig u.a. mit den Ladekarte von Chargemap oder EnBW oder eben die entsprechenden Apps der genannten Anbieter möglich.
Über die jeweiligen Apps der Provider haben wir die Freischaltung des Ladevorgangs wegen unserer vorhanden „physischen“ Ladekarten gar nicht probiert, eine Ladekarte halten wir für „sicherer“, wer garantiert bei Verwendung der App, ob das mobile Internet stabil genug zur Freischaltung des Ladevorgangs ist, nicht selten ist ja auch ein Handyakku im entscheidenden Moment gerade leer…
Mit deutschen Verhältnissen vergleichbar sind die leider extrem hohen Kosten pro Kilowattstunde an den Ionity-Ladesäulen in Höhe von mindestens ca. 80 Cent, wodurch dann die Verbrauchskosten des Elektrofahrzeuges deutlich über denen eines fossil betriebenen Autos liegen.
Einen Ausgleich für diese hohen Kosten gibt es dann häufig an Ladesäulen – dann aber nur Wechselstromladesäulen mit vergleichsweise geringer Leistung – in Einkaufszentren, Parkhäusern o.ä., dort ist das Laden dann auch in der Schweiz meistens noch kostenfrei und ein bisschen Ausgleich für die exorbitanten Kosten an den Ladesäulen. Schwacher Trost: Die Ionity-Ladesäulen funktionieren meistens durchgängig und sind gut zu bedienen.
Ein überaus beeindruckendes Erlebnis war die unaufgeregte „Leichtfüßigkeit“, mit der der Kia, mutmaßlich Elektrofahrzeuge generell, steile Serpentinen und Passstraßen „erklimmen“: Fast jeder kennt von seinem „Verbrennerauto“ die hörbare Anstrengung selbst einer guten Motorisierung und die ständige Notwendigkeit auch eines guten DSG-Automatikgetriebes „zögerlich“ hoch oder runter zu schalten; nicht so beim Elektroantrieb: Ohne spür- oder hörbare Anstrengung „gleitet“ das elektrisch betriebene Fahrzeug ohne Schaltübergänge unaufgeregt und leise den Pass hinauf!
Der Durchschnittsverbrauch steigt wie beim „Verbrenner“ spürbar an, bei der Abfahrt vom Pass bekommt man jedoch nahezu alle zum Aufstieg aufgewendete Energie durch die „Rekuperation“ in den Antriebsakku zurück gespeist und erfährt so eine deutlich Erhöhung der Reichweite: Auf Passhöhe hatten wir eine Restreichweite von 277 km, nach der Talfahrt war diese auf stattliche 335 km angestiegen!
Überhaupt scheinen die von uns gefahrenen kurvigen „langsamen“ Straßen die Domäne des Elektrofahrzeugs: Trotz „rauf und runter“ in der hügligen bis bergigen Landschaft haben wir einen nie zuvor erreichten günstigen Durchschnittsverbrauch von nur 12,5 Kilowattstunden pro 100 Kilometer erzielt, was deutlich unter der Herstellerangabe liegt.
Selber eigentlich mit wenig „Fahrbegeisterung“ ausgestattet, hat mir das „unaufgeregte“ Fahrerlebnis mit unserem Kia sehr viel Spaß gemacht und gleichzeitig aufgezeigt, dass mit einer schon heute zwar noch nicht zu Ende, aber vorausgedachten Ladeinfrastruktur wie in der Schweiz das elektrische „Reisen“ zumindest auf Augenhöhe mit einem „fossilen“ Antrieb stattfindet.
Mitgebracht werden muss allerdings die Bereitschaft, nach ca. drei bis vier Stunden Fahrt eine „Ladepause“ von etwa einer Dreiviertelstunde einzulegen, die aber im Sinne der Verkehrssicherheit eigentlich ohnehin Standard sein sollte und die zudem mit Kaffee trinken, WC-Besuch und Beine vertreten ohnehin schnell vorbei ist…!
Da das Warten auf das Ladeende aber nur auf Fernreisen auftritt – ansonsten geschieht das Laden ja quasi über Nacht an der Ladestation – hält sich der „Zeitverlust“ insgesamt in Grenzen.
Der jährliche „Zeitverlust“ beim Nachtanken eines Diesel- und Benzinfahrzeuges beläuft sich, je nach Jahresfahrleistung und „Anfahrt“ zur Tankstelle, bei meiner jährlichen Fahrleistung durchschnittlich auf ca. 10 Stunden im Jahr, sodass letztlich „Verbrenner“ und Elektrofahrzeug auch in diesem Bereich mehr oder weniger auf „Augenhöhe“ liegen.
Seit nunmehr einem Jahr fahren wir ausschließlich elektrisch, ein „fossil“ betriebenes Fahrzeug haben wir nicht mehr und vermissen es auch nicht. Vermissen würden wir den „unangestrengten“ leisen Auftritt unserer Elektrofahrzeuge und können nach nunmehr ausgiebige Erfahrung nur jedem raten, einmal eine längere Probefahrt mit einem Elektrofahrzeug zu machen, nur so kann man die vorstehende Schilderung nachvollziehen…!
Über die dennoch aktuell bestehenden „Hemmnisse“ der Elektromobilität berichten wir in einem der nächsten Beiträge.